Der Verkehrssektor bietet entscheidende Hebel, um die Umweltauswirkungen der Schweiz zu reduzieren. Mehr als ein Drittel des Energiebedarfs und etwas weniger als ein Drittel der Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto des Verkehrs. Der gewichtigste Grund: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen im Personenverkehr und Warentransport. Basierend auf den langjährigen Erfahrungen von Helbling zeigt eine detaillierte Betrachtung der verschiedenen Teilbereiche, welche Strategien wo den grössten Einfluss haben können.
Mit der Energiestrategie 2050 hat die Schweiz ambitionierte Ziele festgelegt, um die Umweltauswirkungen der Energiebereitstellung und -nutzung im Land drastisch zu reduzieren. Bis 2050 soll Netto-Null bei der Emission von Treibhausgasen (THG) erreicht werden, bis 2030 eine Halbierung im Vergleich zu 1990. Dazu setzt die Schweiz auf die Reduzierung von THG, die Förderung erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz. Ein effizienter, zielgerichteter Einsatz von Ressourcen, finanziellen Mitteln und politischem Wirken setzt die Identifikation der wichtigsten Hebel voraus.
Helbling begleitet seit Jahren unterschiedlich gelagerte Projekte im Verkehrssektor, dem nach Sektoren grössten THG-Emittenten noch vor Industrie und Privathaushalten. Dies und die Helbling-Erfahrungen zeigen, dass gezielte Projektierung und technologische Innovationen einerseits dringend nötig sind, andererseits auch grosses Reduktionspotenzial der Umweltauswirkungen aufzeigen. Aktuell beansprucht der Sektor Verkehr etwa 36 Prozent der Gesamtenergie des Landes und ist für rund 29 Prozent der THG-Emissionen in der Schweiz verantwortlich. Letzteres hauptsächlich getrieben durch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen im Personenverkehr und Warentransport. Dabei ist der Personenverkehr für 72 Prozent und der Warentransport für 23 Prozent der Emissionen im Verkehr verantwortlich.
Im Vergleich finden 20 Prozent des Verkehrs in Kilometern mit dem öffentlichen Verkehr (ÖV) etwa per Bahn, Bus oder Tram statt – bei einem Anteil von 3 Prozent des Ausstosses in CO2-Äquivalenten (CO2-eq).
Der Gesamte Verkehr lässt sich in die Kategorien strassengebundener Individualverkehr (PKW), öffentlicher Verkehr (ÖV), Warentransport und Spezialverkehr sowie Luftfahrt aufteilen. Im Folgenden werden diese Kategorien (ohne Luftfahrt) charakterisiert und Hauptmerkmale in Bezug auf die Energiezukunft hervorgehoben.
Individualverkehr (PKW):
Der Elektrifizierungsgrad der Schweizer PKW-Flotte lag 2022 bei 2.3 Prozent, macht total 110'751 reine Elektroautos (Battery Electric Vehicle / BEV). Im ersten Halbjahr 2023 waren rund 18.7 Prozent der neuen PKW batterieelektrisch.
Auf Seiten der Fahrzeuge und Fahrzeugmodelle scheinen technische Herausforderungen und finanzielle Hürden in der Breite mehrheitlich überwunden. Doch die Elektrifizierung der Mobilität wird noch viel von Städten und Gemeinden abverlangen, da die Stromnetze dafür Änderungen benötigen. Der Strom sollte aus erneuerbaren Quellen stammen und die Ladeinfrastruktur muss ausgebaut werden, denn aktuell kommen auf jeden Ladepunkt 575 PKW. Hier steht die Schweiz im internationalen Vergleich weit hinter Norwegen mit 147 und den Niederlanden mit 109 PKW pro Ladepunkt zurück.
Die verstärkte Einführung von Carsharing und ein grösserer Umstieg auf den ÖV spielen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer nachhaltigen Verkehrszukunft. Angesichts der geringen Nutzungszeit von Privat-PKW sind diese Massnahmen besonders bedeutsam. Carsharing ermöglicht eine effiziente Ressourcennutzung, verstärkt durch die höheren Investitionen in BEV der Carsharing-Anbieter. Die Attraktivität des ÖV kann durch Ausbau des Netztes, dichtere Taktung und Ausbau der Kapazitäten erreicht werden.
Öffentlicher Verkehr (ÖV):
Der Schweizer ÖV erzielt erhebliche Umweltvorteile durch die fast ausschliesslich auf Wasserkraft beruhende Elektrifizierung der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Zusätzlich sind in vielen grösseren Schweizer Städten Trolleybusse und Trams mit Oberleitung im Einsatz.
Für Überlandstrecken und kleinere Gemeinden, in denen Oberleitungen keine praktikable Option darstellen, sind batterieelektrische und Wasserstoffbusse die Alternativen. Viele Gemeinden und Busunternehmen stellen bereits auf diese Technologien um. Der Trend wird voraussichtlich in den kommenden Jahren weiter an Fahrt gewinnen. Bei dieser Umstellung stehen die Betreiber vor verschiedenen Herausforderungen:
1. Wasserstoff- oder batterieelektrisch: Die Wahl zwischen Wasserstoff- (H2) und batterieelektrischen Bussen hängt unter anderem von der Verfügbarkeit von Wasserstoff und Wasserstofftankstellen, den topografischen Bedingungen der Strecke und den Kosten ab.
2. Depotladung oder Zwischenlader: Die Aufladung der Busse kann im Depot während der Nacht oder an Zwischenladestationen während des Betriebs erfolgen. Die Wahl hängt von der Fahrstrecke, der Nutzung und infrastrukturellen Gegebenheiten ab.
3. Batteriegrösse: Die Grösse der Batterien ist entscheidend, um die notwendige Reichweite etwa auch im Winter abzudecken, beeinflusst auf der anderen Seite die Kosten und das transportable Gewicht.
4. Erneuerbare Energie: Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie Solarenergie oder Windkraft zur Stromerzeugung leistet einen wichtigen Beitrag.
5. Infrastruktur und Schulung: Die Bereitstellung der erforderlichen Ladeinfrastruktur und die Personal-Schulung sind wichtige Aspekte bei der Umstellung.
Es braucht hier jeweils optimal abgestimmte Lösungen, um den Übergang zu umweltfreundlichen Busflotten reibungslos zu gestalten und die langfristige Nachhaltigkeit des ÖV zu gewährleisten.
Warentransport:
Der durchschnittliche Transport auf der Strasse im Binnentransport hat eine Distanz von nur 39 Kilometern. 37 Prozent der Transporte in Tonnen werden in der Schweiz mit der Bahn transportiert, vor allem bei längeren Strecken mit einer durchschnittlichen Distanz von 110 Kilometern. Diese Verschiebung zum Schienenverkehr bei längeren Transporten lässt die Schweiz im EU-Vergleich gut dastehen. Eine anhaltende Verlagerung kann die Umweltauswirkungen des Güterverkehrs weiter minimieren.
Besonders bei kürzeren Distanzen und kleineren Ladungen zeichnet sich bereits heute ein Interesse an der Elektrifizierung ab. Elektrische Fahrzeuge und alternative Antriebstechnologien bieten eine umweltfreundlichere Option vor allem für den innerstädtischen und regionalen Verkehr, also bei Last-Mile-Lösungen, aber auch bei häufig wiederkehrenden und einfach zu planenden Transporten. Zu sehen ist das etwa bei der Post.
Auf dem Markt sind bereits mehrere batterieelektrische LKW. Deren Reichweite hängt von Aufbau, Zuladung und anderen Faktoren ab und kann heute bis zu 550 Kilometern betragen. Damit kann in der Schweiz ein grosser Teil der Transporte schon elektrifiziert werden. Voraussetzung ist jedoch gute Planung bei den Fahrten in Bezug auf Strecke und Zuladung, aber auch beim Laden des Fuhrparks. Weiter müssen Transportunternehmen ihre Logistikcenter und Fuhrparkparkplätze umbauen, um Ladeinfrastruktur zu installieren.
Für kleine Transporter stehen bereits elektrifizierte Fahrzeuge zu Verfügung. Mit einer aktuellen Reichweite von bis zu 350 Kilometern sind sie vor allem im städtischen Gebiet sinnvoll.
Generell steht diese Entwicklung noch in den Startlöchern. Das zeigt eine IHS-Markit-Studie, wonach die Schweiz 2021 mit 77 vollelektrischen LKW (>=16 Tonnen) europäischer Leader war. Um hier voranzukommen, müssen Transportunternehmen grundsätzlich dieselben Fragestellungen wie die zuvor erwähnten Busbetreiber bearbeiten.
Spezialfahrzeuge:
Der THG-Ausstoss von Spezialfahrzeugen ist im Sektor-Vergleich etwas niedriger als derjenige der LKW. Hierbei handelt es sich typischerweise um Fahrzeuge mit einer Funktionalität, die über das reine Fahren hinausgeht. Diese stehen insbesondere im Bau- und Landwirtschaftssektor vor einzigartigen Herausforderungen aufgrund ihrer stark individualisierten Verwendung.
In diesen Branchen werden die Fahrzeuge maximal in Mittelserien produziert. Teilweise auch als Einzelstücke mit speziell auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnittenen Lösungen. Diese massgeschneiderten Fahrzeuge und Maschinen sind notwendig, um die Vielfalt der Aufgaben zu bewältigen, sei es im Bauwesen, der Landwirtschaft oder anderen Sektoren. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind entscheidend, um den Anforderungen dieser Branchen gerecht zu werden und innovative Lösungen für komplexe Herausforderungen zu entwickeln. Entsprechend können sich sogar Spezialanfertigungen und Umrüstungen bestehender Fahrzeuge rechnen.
Zusammenfassung: Nachhaltige Energiekonzepte für die Elektrifizierung des Schweizer Verkehrs sind realisierbar
Während der ÖV bereits über eine vorzeigbare Umweltbilanz verfügt, ist im Schweizer Individualverkehr die Elektrifizierung voll im Gange. Technologisch scheint dieser Bereich höchstens seitens Ladeinfrastruktur eine Herausforderung darzustellen. Nach wie vor ist die zunehmende Verlagerung von der Strasse auf die Schiene ein probates Mittel, um die Pro-Kopf-Emissionen zielführend zu senken.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen der Warentransport über längere Strecken sowie Spezialfahrzeuge. Hier sind die Würfel noch nicht gefallen und die geringeren Stückzahlen und diversen Anwendungsfelder verlangen nach spezifisch abgestimmten Lösungen. Helbling verfügt über Expertise bei der Entwicklung und Realisierung von Energiekonzepten in sämtlichen Mobilitätsbereichen. Als Berater ist Helbling in der Lage, einen bedeutenden Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der Energiestrategie zu leisten.
Autoren: Alexander Weiser, Simon Müller
Hauptbild: Unsplash