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Wie massgeschneiderte Single-Board-Computer die Wirtschaftlichkeit von Embedded Vision Systemen erhöhen können 

Künstliche Intelligenz zählt zu den zentralen Technologietrends dieses Jahrzehnts. Besonders bildbasierte KI-Anwendungen, bei denen Kameradaten direkt vor Ort ausgewertet werden, gewinnen rasant an Bedeutung. Embedded Vision Systeme bilden dabei das Rückgrat moderner KI-Lösungen: Sie ermöglichen eine performante, energieeffiziente Bildverarbeitung direkt im Gerät – ohne Cloud-Anbindung, mit minimaler Latenz. Helbling setzt dabei auf massgeschneiderte Single-Board-Computer (SBCs), die Standardlösungen in puncto Kosten, Leistung und Integration deutlich übertreffen. Aktuelle Projekte in Smart Farming, Industrie sowie Security & Defence belegen das Potenzial: Die Systemkomplexität wird für den Kunden reduziert, die Herstellkosten sinken und es entstehen skalierbare Lösungen für die Serienproduktion. Insgesamt minimiert Helblings modular aufgebautes Referenzdesign für Embedded-Vision-Systeme Entwicklungsaufwand und Projektrisiken.

Embedded-Vision-Systeme sind intelligente Systeme, mit denen sich Computer-Vision-Technologien in einem Gerät integrieren lassen. Sie bestehen typischerweise aus einem Bildsensor mit Objektiv – etwa einer Kamera beziehungsweise einem Kameramodul –, einer Verarbeitungseinheit wie einem Prozessor oder Mikrocontroller sowie der passenden Software für Bildverarbeitung und -analyse. Diese erfassen und analysieren Bilddaten nahezu in Echtzeit und ermöglichen es, Entscheidungen autonom auf Basis von visuellen Informationen zu treffen. Die Bandbreite der Anwendungen reicht von Automotive über industrielle Anwendungen, Medizintechnik bis hin zu autonomen Robotern oder smarten Gebäuden (siehe Factbox).

Abbildung 1: Beispiel eines Single-Board-Computers mit Kamera auf Basis des modularen Referenzdesigns von Helbling. Bild: Helbling 

Helbling hat in den vergangenen Jahren eine grosse Anzahl von Projekten in diesen Bereichen realisiert und ein modulares Referenzdesign für einen Single-Board Computer entwickelt. Hieraus ergeben sich in der Entwicklung grosse zeitliche und bei den Herstellkosten klare wirtschaftliche Vorteile.

 

Wo liegen die versteckten Kosten?

Um die Vorteile der integrierten Bildverarbeitungssystem insbesondere in der Serienproduktion voll auszuschöpfen, sind individuelle, hochintegrierte Systemlösungen gefragt. Standard-Single-Board-Computer (SBCs) sind häufig überdimensioniert und damit unnötig teuer. Besonders in Kombination mit günstigen Kameramodulen lassen sich die Herstellkosten signifikant senken. In der Praxis zeigt sich: Allein bei Kamera mit Objektiv ist bei einem direkten Sourcing bei einem chinesischen Lieferanten eine Kostenreduktion um den Faktor 8 bis 10 gegenüber vergleichbaren Systemen von europäischen Distributoren keine Seltenheit – vorausgesetzt, die Anforderungen werden präzise analysiert und der Kunde ist offen für eine Optimierung seiner Lieferkette.

Doch Kameras sind nicht die einzigen Kostentreiber. Auch herkömmliche SBCs oder System-on-Modules (SoMs) etwa auf Basis von einem NXP i.MX8 können die Kosten nach oben treiben – oft ohne echten Mehrwert für die Embedded-Vision-Anwendung. Hier kann mit einer schlanken und massgeschneiderten Auswahl das System deutlich optimiert werden. Hinzu kommt bei der Verwendung eines SoMs: Jeder zusätzliche Lieferant in der Kette erhöht die Gesamtkosten des Systems. Bei der Verwendung von SoMs verdienen sowohl der SoM-Hersteller als auch der elektronische Fertigungsdienstleister (EMS).

 

Die Lösung: massgeschneiderte SBCs

Ein massgeschneiderter SBC kann exakt auf die jeweilige Anwendung abgestimmt werden. Alle im Produkt benötigten Komponenten lassen sich direkt auf der Platine integrieren. Die Abmessungen sind frei wählbar und erleichtern die nahtlose Produktintegration. So entsteht ein System, das die tatsächlich benötigten Funktionen und Komponenten beinhaltet und genau das kann, was es soll – ohne überflüssige Zusatzkomponenten.

Neben dem technischen Design spielt die Wahl des Prozessors eine zentrale Rolle. Alternativ zu den klassischen Lösungen gibt es gute Möglichkeiten von etablierten Herstellern wie etwa TI, ST oder Rockchip wie auch von neuen Anbietern wie beispielsweise Ambarella oder Hailo. Diese haben teils für Vision-Anwendungen optimierte Prozessoren im Sortiment und stellen damit leistungsfähige und kosteneffiziente Optionen dar.

Durch den Wegfall externer Module, Lizenzen und unnötiger Schnittstellen entsteht eine optimierte Lieferkette mit reduzierter Komplexität, die ideal ist für kostensensitive Anwendungen. All diese Vorteile können mit einem massgeschneiderten SBC optimal ausgeschöpft werden.

Abbildung 2: Projekt-Beispiel von Helbling aus dem Bereich Security & Defence: Kompaktes, batteriebetriebenes Gerät für eine Embedded Vision Anwendung mit KI.

Baukasten statt Blackbox: Helblings modulares Referenzdesign für massgeschneiderte SBCs

Normalerweise ist die Entwicklung eines massgeschneiderten SBC mit hohem Aufwand verbunden – mit langen Entwicklungszeiten, beträchtlichen Kosten und hohen technischen Risiken. Genau hier setzt Helbling mit einem modularen Referenzdesign an. Es basiert auf einem Baukastenprinzip und dient als Grundlage für die Entwicklung spezifischer SBCs.

Dieses Referenzdesign wurde als Prototyp realisiert und umfassend getestet. Dank des Baukastenprinzips lässt es sich gezielt in Punkten wie Performance, Schnittstelle, Formfaktor oder Kosten auf individuelle Kundenanforderungen zuschneiden. Die Vorteile liegen in geringeren Entwicklungskosten, einer kürzeren Time-to-Market und kalkulierbaren Risiken.

 

Beispiel: Einsparpotenziale durch gezielte Schnittstellenwahl

Ein zentrales Element des Helbling-Knowhows bei der Anpassung des modularen Referenzdesigns ist die gezielte Auswahl und Anpassung von Komponenten, insbesondere bei der Performance und den Schnittstellen - denn gerade hier lassen sich Herstellkosten sparen und gleichzeitig funktionale Vorteile realisieren. Ein Beispiel aus der Praxis ist die Kameraschnittstelle: USB wird von vielen Kameraherstellern als die Plug-and-Play-Standardlösung vermarktet. Gerade hier liegt erhebliches Optimierungspotenzial. Technisch wie wirtschaftlich hat die MIPI-Schnittstelle (Mobile Industry Processor Interface) etliche Vorteile.

  • Keine unnötige Signalumwandlung: Nahezu alle Bildsensoren verfügen über eine MIPI-Schnittstelle. Durch die direkte Anbindung dieser Schnittstelle an den SBC kann auf zusätzliche Bausteine zur Umwandlung der rohen Bilddaten von MIPI- auf USB-Signale verzichtet werden.
  • Verbesserte Bildqualität: Die meisten für Vision-Anwendungen geeigneten Prozessoren verfügen über einen integrierten ISP. Die via MIPI-Schnittstelle kontinuierlich gestreamten Rohdaten lassen sich mit dem ISP (Image Signal Processor) des Prozessors gezielt optimieren. Dabei kommen moderne ISP-Tuning Algorithmen zum Einsatz, wie sie aus den Smartphone-Prozessoren bekannt sind.
  • Mehr Effizienz: Zwar erfordert das Tuning zu Beginn einen höheren Entwicklungsaufwand, dafür wird für die Verbesserung der Bildqualität keine Rechenleistung des eigentlichen Prozessors verschwendet – diese steht für die Anwendung voll zur Verfügung.
  • Tiefere Herstellkosten: Ohne die Umwandlung von MIPI auf USB entfallen unnötige Bausteine. Dies bedeutet eine Reduktion der Herstellkosten durch das gezielte Weglassen von Bauteilen.

Diese Kombination einer besseren Bildqualität bei tieferen Herstellkosten schafft gerade im Serienkontext echten Mehrwert und ist nur ein Beispiel von verschiedenen Punkten, mit denen Kosten eingespart und gleichzeitig die Performance optimiert werden kann.

 

Wirtschaftlichkeit eines massgeschneiderten SBCs in der Praxis

Wie wirtschaftlich sich dieser Ansatz auswirken kann, zeigt ein exemplarisches Kostenmodell (s. Abb. 3). Bei Betrachtung einer exemplarischen Stückzahl von 1'000 Stück pro Jahr können sich die initial höheren Kosten für die Entwicklung durch die Einsparung bei den Herstellkosten mithilfe günstigerer, massgeschneiderter SBC-Lösungen selbst bei konservativer Betrachtung oft bereits nach zwei bis drei Jahren amortisieren. Bei höheren Stückzahlen trifft dieser Effekt deutlich früher ein. Durch eine gezielte Auswahl von Kamera, optimierter Integration in ein Gehäuse und falls benötigt der Beleuchtung sind weitere Reduktionen der Herstellkosten möglich.

 

Abbildung 3: Beispiel der Entwicklung eines SBC auf Basis des modularen Referenzdesigns von Helbling. Je nach Ausgangslage ist eine Reduktion der Herstellkosten um einen mittleren zweistelligen Frankenbetrag oder mehr je Stück realisierbar. Im Diagramm ist ein exemplarisches Beispiel für eine Stückzahl von 1'000 Stück / Jahr dargestellt: Hellblau die kumulierten Entwicklungskosten, Dunkelblau die kumulierte Kostenreduktion und Orange die Bilanz von Ersparnis abzüglich Entwicklungskosten. Bei 1'000 Stück / Jahr rechnet sich solch ein Projekt bereits nach zwei bis drei Jahren ab Verkaufsstart und bei höheren Stückzahlen entsprechend schneller.

Die so entstandenen SBCs lassen sich vielseitig einsetzen – unter anderem lassen sie sich in robuste, gedichtete Gehäuse integrieren – beispielsweise nach Schutzklasse IP69 sowie vibrations- und stossfest. Auch KI-gestützte Bildverarbeitung direkt auf dem Gerät – ganz ohne Cloud-Abhängigkeit – ist realisierbar.

 

Zusammenfassung: Massgeschneiderte SBCs als Schlüssel zur Reduktion der Herstellkosten

Mit steigenden Stückzahlen wird der Umstieg auf integrierte, spezialisierte Lösungen besonders attraktiv. Zwar sind die Anfangsinvestitionen durch die initialen Entwicklungskosten zur Anpassung des modularen Referenzdesigns mit dem Baukastenprinzip höher, doch dank der Skaleneffekten machen sich die Investitionen angesichts einer deutlichen Reduktion der Herstellkosten schnell bezahlt.

Mit den massgeschneiderten SBCs von Helbling wird so die Wirtschaftlichkeit von Embedded Vision Systeme gesteigert.

 

Autoren: Sophie Jenne, Johannes Eckstein

Hauptbild: Helbling Technik

Factbox

Beispiele für typische Anwendungen – von Landwirtschaft bis Medtech

Massgeschneiderte SBCs für smarte Kameras entfalten ihr Potenzial überall dort, wo Standardlösungen zu teuer oder zu unflexibel sind:

  • Landwirtschaft: Unkrauterkennung, Schnittkanten- und Ernteüberwachung
  • Consumer: Intelligente Haushaltsgeräte, Drohnen
  • Gebäudeautomation: Zutrittskontrolle, Energiemanagement und Home Security
  • Industrie: Qualitätsprüfung, Prozess- und Maschinenüberwachung
  • Robotik: Navigation, Hinderniserkennung, Autonome Klassifizierungen
  • Medtech: tragbare Diagnostik, Patientenmonitoring, Mikroskopie
  • Automobil: Rückfahrkamera, Surround-View, digitale Aussenspiegel und Assistenzsysteme
  • Security & Defence: Überwachungs- und Beobachtungssysteme, robuste KI-basierte Bildverarbeitung

 

Kontakt

Dr. Johannes Eckstein

Hubstrasse 24
9500 Wil

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